Archivierung und Produkthaftung

Was hat Archivierung mit Produkthaftung zu tun?

Wer ein Produkt in den Verkehr bringt – sei es als Hersteller, Entwickler, Zulieferer, Händler oder Importeur – kann im Schadensfall unter Umständen in die Haftung für entstandene Sach- oder Personenschäden genommen werden. Wie man nach der Rechtsprechung der letzten Jahre zur Produkthaftung erkennen kann, lässt sich eindeutig die Tendenz ablesen, die Haftung des Herstellers zu Gunsten der Geschädigten immer weiter auszudehnen. Im Interesse des Verbraucherschutzes werden an die Sorgfalt der Industrie bei der Herstellung und Auslieferung von Gütern – durchaus mit einer gewissen Berechtigung – immer höhere Anforderungen gestellt, wie durch eine Fülle von Gerichtsentscheidungen belegt wird.

Da es gerade in den Vereinigten Staaten zu sehr hohem Schadensersatz kommt, wird verstärkt versucht, Produkthaftungsklagen vor amerikanischen Gerichten anhängig zu machen. Beispiele hierfür sind die Unfälle:

  • der Seilbahn in Kaprun,
  • des ICEs 884 in Eschede oder
  • der Absturz eines Concorde-Flugzeugs in Paris.

In unserem Rechtssystem muss die Schuld des Beklagten vom Kläger bewiesen werden. Nun kann aber von einem durchschnittlichen Menschen nicht verlangt werden, dass er den Beweis erbringt, dass zum Beispiel beim Flügel eines Flugzeugs ein Konstruktions- oder Fertigungsfehler vorliegt. In Produkthaftungsfällen kommt es daher oftmals zur Beweiserleichterung oder sogar zur Beweislastumkehr. Das heißt, dass nicht dem Hersteller der Fehler bewiesen werden muss, sondern der Hersteller muss beweisen, dass - nach damaligen Stand der Technik - keine Fehler in Entwicklung und Fertigung gemacht wurden.

Dieser Beweis kann in erster Linie nur durch eine lückenlose Dokumentation des Fertigung- oder Entwicklungsprozesses erbracht werden. Ohne geeignete Dokumentation ist es schwer bis unmöglich Produkthaftungsfälle zu gewinnen. Dabei werden an die Archiv-Lösung besondere Anforderungen gestellt. Zum einen müssen die Dokumente im Schadensfall schnell gefunden und zur Verfügung gestellt werden – was schnell bedeutet, wird dabei von dem entsprechenden Gericht definiert – zum anderen muss das Archiv Revisionssicherheit bieten, die eine nachträgliche Manipulation der Dokumente unmöglich macht.

Anspruchsgrundlagen des Produkthaftungsrechts

Es gibt mehrere Gesetze, über die auf Produkthaftung geklagt werden kann. Man kann dabei zwischen zwei Anspruchsgrundlagen unterscheiden.

Vertragliche Anspruchsgrundlage

Diese liegt vor, wenn es zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller einen Vertrag, in der Regel einen Kaufvertrag oder einen Werkvertrag, gibt. Ansprüche lassen sich demnach über folgende Gesetzesgrundlage geltend machen:

  • §§ 434 ff. BGB Sachmangel
  • § 633 ff. BGB Sach- und Rechtsmangel
  • UN-Kaufrecht

Wird der Hersteller von einem seiner Kunden auf Produkthaftung in Anspruch genommen, hat dieser wiederum die Möglichkeit, gegen an dem Produkt beteiligte Zulieferer Regressansprüche wegen Schlechtleistung (Sachmängelhaftung) geltend zu machen.

Außervertragliche Anspruchsgrundlage

Gibt es keine vertragliche Grundlage, kann ein Geschädigter Ansprüche entweder über die Verschuldenshaftung oder die Gefährdungshaftung stellen.

  • § 823 I BGB – Grundnorm des Deliktrechts
  • § 823 II BGB – Verletzung eines Schutzgesetzes
  • § 831 BGB – Haftung für Organisationsverschulden
  • Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Bei außervertraglichen Ansprüchen sind unter Umständen Beweiserleichterungen für den Kläger möglich.

Aufbewahrungsfristen und Verjährung

Es genügt nicht, diese Dokumente nur solange zu archivieren, wie das Produkt im Umlauf ist, sondern zusätzlich müssen auch die jeweiligen Verjährungsfristen beachtet werden. Schadensersatzansprüche verjähren in bestimmten Fällen erst nach 30 Jahren ab dem schädigenden Ereignis! Erst dann kann der Hersteller nicht mehr in Produkthaftung genommen werden.

Ansprüche nach BGB unterliegen der allgemeinen Verjährungsfrist von dreißig Jahren. Schadensersatzansprüchen verjähren nach drei Jahren ab Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger. Ansprüche über das Produkthaftungsgesetz verjähren nach drei Jahren ab Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger.

Archivierung, Produkthaftung und Qualitätsmanagement

Ein Denkfehler der häufig gemacht wird, ist die Annahme, dass ein Unternehmen welches nach einem Qualitätsstandard (DIN EN ISO 9001 bzw. 9100 oder ISO/TS 16949) zertifiziert ist, damit auch ausreichend dokumentiert und archiviert und so eine optimale Lage in einem Produkthaftungsfall bietet. Dies ist nicht so! Es gibt eine Kluft zwischen den Normforderungen und den Anforderungen für eine hinreichende Absicherung in Haftungsfällen. Bestes Beispiel dafür sind die Aufbewahrungsfristen, die nur in seltenen Fällen auch den Verjährungsfristen der Gesetze entsprechen. Kontaktieren Sie mich, für einer Bewertung Ihrer Dokumentations- und Archivierungssituation hinsichtlich Produkthaftungsklagen.

 

Zum 4. Grund für Archivierung: Wissenserhalt